Donnerstag, 28. Oktober 2010

Artikel im Schwäbischen Tagblatt: Bosch kann neu bauen

 Von Uschi Kurz
Der Gemeinderat hat am Dienstag unter dem Protest zahlreicher Gmindersdorf-Bewohner/innen dem Bebauungsplan „Moserstraße“ zugestimmt. Damit ist der Weg für eine Neubebauung durch die Bosch-Wohnbaugesellschaft frei. Die Tage der alten Erdle-Siedlung sind wohl gezählt.


Reutlingen. Rund 30 Mitglieder der Bürgerinitiative, die sich seit Monaten für einen Erhalt der drei Erdle-Bauten an der Moserstraße einsetzt (wir berichteten mehrfach), waren in den Spitalhof gekommen, um ihrem Anliegen bisweilen lautstark Ausdruck zu verleihen. Sie brauchten einen langen Atem – der Tagesordnungspunkt wurde erst gegen 20.30 Uhr aufgerufen.

„Die Denkmalpflege war von Anfang an eingebunden“, betonte der Amtsleiter für Stadtentwicklung und Vermessung, Stefan Dvorak, der das Prozedere und die Entscheidungsfindung der Stadtverwaltung erläuterte. Die geplante neue Werksiedlung halte die erforderlichen Grenzabstände ein, auch in Höhe, Dichte, Masse und Bauform, so der Stadtplaner, gehe die neue Bebauung nicht über die bestehende hinaus: „Die Doppelhäuser an der Moserstraße finden quasi ein Gegenüber.“

Selbst wenn die gesamte Siedlung im Denkmalbuch eingetragen wäre (was nicht der Fall ist), betonte Dvorak, sei es fraglich, ob der Bebauungsplan eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes darstelle, so dass Umgebungsschutz überhaupt infrage komme. Vielmehr werde mit der Festsetzung ja gerade versucht, „in verdichteter Form mit heutigen architektonischen Mitteln den Grundcharakter der Siedlung“ aufzugreifen. „Der Gemeinderat kann weder die Niederlegung noch den Erhalt der Gebäude beschließen“, sagte Dvorak abschließend und Baubürgermeisterin Ulrike Hotz ergänzte, die Abriss-Entscheidung liege einzig bei der Eigentümerin, der Bosch-Wohnbaugesellschaft.

„Wir würden uns freuen, dass sich mehr Unternehmen mit so etwas befassen“, lobte Helmut Treutlein das Vorhaben von Bosch, an der Moserstraße eine neue Werksiedlung mit kostengünstigen Wohnungen zu errichten. Obwohl man die Proteste der Anwohner verstehen könne, stimme die SPD-Fraktion dem Bebauungsplan zu. Als danach auch noch Andreas vom Scheidt die Zustimmung der CDU-Fraktion signalisierte, verließen die ersten Gmindersdörfler frustriert den Spitalhofsaal, andere harrten aus und machten ihrem Unmut bisweilen lautstark Luft, was ihnen mahnende Worte von Oberbürgermeisterin Barbara Bosch eintrug.

„Bei uns ist in der Abwägung ein Minus rausgekommen, wir werden nicht zustimmen“, sagte Grünen-Stadtrat Marcellus Kolompar unter großem Beifall. Die Erdle-Bauten seien ein Teil des Gemindersdorfs, warb er für einen „Um- und Ausbau“. Auch Thomas Ziegler von den Linken sprach sich gegen den Bebauungsplan aus, der letztlich genau das beinhalte, was Bosch bauen wolle: „Das müssen wir nicht.“ Und er erinnerte daran, dass das Referat für Denkmalpflege in seiner Stellungnahme geschrieben hatte, dass ein Verlust der Gebäude aufgrund ihres Ortsbildprägenden Charakters „auf jeden Fall zu bedauern“ sei.

„Wir stellen den Bebauungsplan auf, nicht mehr und nicht weniger“, rief OB Bosch nach einer unversöhnlichen Diskussion zur Abstimmung, worauf der Bebauungsplan bei nur sieben Gegenstimmen (Grüne und Unabhängigkeit und Thomas Ziegler) sowie einer Enthaltung (Friedel Kehrer-Schreiber) mit großer Mehrheit beschlossen wurde.

Kein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung?

Das Referat Denkmalpflege hat die Erdle-Bauten im Zusammenhang mit dem Bebauungsplanverfahren untersucht und ist zu der Überzeugung gelangt, dass „die Wohnbauten von Helmut Erdle keine Kulturdenkmale sind, da sie die Kriterien des Denkmalschutzgesetzes nicht in ausreichendem Maße erfüllen.“ Bei den Häusern in unmittelbarer Nähe der geplanten Neubebauung handelt es sich demnach lediglich um eine „Sachgesamtheit“. Umgebungsschutz, den die Bürgerinitiative gelten machen möchte, gebe es aber nur bei eingetragenen Kulturdenkmalen von besonderer Bedeutung. Dem widerspricht die Bürgergruppe Gmindersdorf, die sich einen auf Denkmalrecht spezialisierten Anwalt genommen hat.
Quelle:Schwäbisches Tagblatt

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