Donnerstag, 17. Februar 2011

Artikel im Reutlinger General-Anzeiger: Kahlschlag im Gmindersdorf

 Bosch-Wohnungsgeselschaft - Vorbereitende Maßnahmen für den Abbruch der Erdle-Bauten laufen
 Kahlschlag im Gmindersdorf
 von Ulrike Glage
REUTLINGEN. Die alten Bäume sind abgeholzt, die Versorgungsleitungen gekappt und die Wohnungen entrümpelt: Der Abbruch der Erdle-Häuser naht, voraussichtlich Mitte des Monats werden die Bagger anrollen. Damit wird der Weg frei für die Bosch-Wohnungsgesellschaft, die zwischen Moser- und Blockäckerstraße eine neue Werkssiedlung mit 56 Wohneinheiten in Doppel- und Mehrfamilienhäusern hochziehen will. Die Gmindersdörfler haben energisch gegen das Vorhaben protestiert - letztlich ohne Erfolg: Der Gemeinderat stimmte in einer turbulenten Sitzung im Oktober dem Bebauungsplan »Moserstraße« zu.
  
Finanzielles Risiko

Die Gmindersdorf-Bewohner und unmittelbaren Anlieger Karin Schliehe und Bernhard Mark sind nach wie vor davon überzeugt, dass das in den Fünfzigerjahren entstandene Gebäude-Ensemble des Architekten und Künstlers Helmut Erdle aus bauhistorischer Sicht erhalten hätte werden müssen, obwohl es vom Denkmalamt nicht als Kulturdenkmal eingestuft wurde. Erdles Siedlungsbauten seien exemplarisch für das Werk des Architekten der »Stuttgarter Schule«, argumentieren sie. Vor allem aber seien sie als Bestandteil des Gmindersdorfes zu sehen, da Erdle sie bewusst als dessen Erweiterung geplant habe. Schliehe und Mark sind außerdem sicher, dass für die komplette Arbeitersiedlung Umgebungsschutz besteht, was auch höhere Anforderungen an Neubauten zur Folge hätte.

»Das wäre unsere Option gewesen«, so Karin Schliehe. Obwohl sich die beiden und ihr Anwalt im Recht sehen, verzichten sie aus Kostengründen auf eine Klage - auch, weil die anderen Gmindersdörfler wegen des finanziellen Risikos da nicht mitziehen würden. Ohnehin, so der Eindruck von Schliehe und Mark, haben viele kapituliert. »Die waren nach der Gemeinderatssitzung alle entmutigt und eingeschüchtert.«

Der Abriss, mutmaßen die beiden, wäre wahrscheinlich auch mit Rechtsmitteln kaum zu verhindern: Die Robert-Bosch-Wohnungsgesellschaft ist Eigentümerin des Grundstücks und hat sich, nachdem der Bebauungsplan beschlossen ist, nur an dessen Vorgaben zu halten. Grundlage des Planwerks ist ein Architektenentwurf, der bei einem von der Bosch-Wohnungsgesellschaft ausgeschriebenen Wettbewerb das Rennen gemacht hatte.

Der Abbruchantrag ging kurz nach Weihnachten beim Bürgerbüro Bauen ein. Wie bei einem Baugesuch werden die Anlieger am Verfahren beteiligt. Es habe, so Amtsleiter Ottmar Hahr, auch Einsprüche gegeben, die aber größtenteils den geplanten Neubau zum Gegenstand hatten. »Die Genehmigung des Abbruchs beinhaltet aber nicht den Neubau«, erklärt er, warum sie nicht berücksichtigt wurden.

Ein Baugesuch ist beim Bürgerbüro bisher noch nicht eingegangen, es wurde laut einem Bosch-Unternehmenssprecher bisher auch nicht gestellt. Der Neubau sei aber »zeitnah« geplant, lässt er wissen, derzeit würden die vorbereitenden Maßnahmen getroffen: »Da wird jetzt das Grünzeug weggemacht.«

Wenn wie im Fall »Moserstraße« ein Bebauungsplan existiert, dann, so Hahr zum weiteren Verfahren, »hat der Bauherr einen Rechtsanspruch auf Genehmigung«. Immer vorausgesetzt, er hält sich an den Rahmen, den der Plan vorgibt. »Wir werden da keine Befreiungen machen«, stellt der Amtsleiter vorab klar.

Laut Landesbauordnung müssen die Anlieger benachrichtigt werden, wenn das Baugesuch gestellt ist. Innerhalb von vier Wochen können sie Einspruch erheben. Geltend machen dürfe man allerdings nur die Verletzung eigener Rechte, konkretisiert Ottmar Hahr. Der von Karin Schliehe und Bernhard Mark reklamierte Umgebungsschutz des Gmindersdorfes zählt seiner Auffassung nach nicht dazu. Der könne zwar angeführt werden, aber, so Ottmar Hahr: »Wir dürften es nicht werten.«
Quelle:Reutlinger General-Anzeiger

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