Donnerstag, 28. Oktober 2010

Artikel in den Reutlinger Nachrichten: Die Frage heißt: Mitgestalten oder gar nichts tun

Reutlingen.  Nun ist es amtlich: Der Gemeinderat hat am Dienstagabend zu vorgerückter Stunde bei sieben Gegenstimmen und einer Enthaltung dem von der Firma Bosch eingereichten Bebauungsplan zugestimmt.


"Wir beschließen hier nicht den Abriss der Erdle-Bauten", betonte Hagen Kluck (FDP) in einer emotional geführten Diskussion im Spitalhofsaal. In den Zuschauerreihen saßen zahlreiche Mitglieder der Bürgerinitiative gegen genau diesen Abriss. Sie vertraten allesamt die Meinung, dass es sich bei den Gebäuden in der Moser- und Blockäckerstraße um schützenswerte Bauten handle (wir berichteten mehrmals ausführlich). "Kein anderer Bauplan hat bisher so viele Emotionen hochkommen lassen", kommentierte Marcellus Kolompar. Er und seine Fraktion der Grünen stimmten dem Bebauungsplan nicht zu - was in den Reihen der Zuhörer Beifall auslöste.

Während Kolompar hervorhob, dass die geplante "Blockbauweise der Firma Bosch ein Fremdkörper im Gmindersdorf" sein würde, "begrüßt die SPD, dass eine Werksiedlung geplant wird", sagte Helmut Treutlein für seine Fraktion. "Solche Unternehmen sollte es noch mehr in der Stadt geben, die Wohnraum für ihre Beschäftigten schaffen." Genau das bezweifelt aber Marcellus Kolompar: "Bei Bosch gehen die Arbeitsplätze zurück, weitere Werkswohnungen werden doch gar nicht gebraucht." Er mutmaßte gar, "dass die Wohnungen später verkauft werden sollen" und der zu erzielende Gewinn im Vordergrund stehen solle.
Julius Vohrer (FDP) interessierte diese Argumentationsweise nicht, "es kann nicht darum gehen, dort irgendwas stehen zu lassen, was keiner mehr will". Dass die Erdle-Bauten in irgendeiner Weise erhaltenswert sein könnten, scheint seinen Äußerungen nach undenkbar zu sein: "Was da entsteht, passt mehr zu Gmindersdorf als das Bisherige", so Vohrers Fazit.

Thomas Ziegler (Linke Liste) bemängelte hingegen, dass im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz - so wie in anderen Bundesländern - "kein Passus für einen städtebaulichen Schutz vorhanden ist". Dass das Denkmalamt in einer Stellungnahme bedaure, wenn es zum Abriss der Erdle-Bauten komme, spreche laut Ziegler für sich. Außerdem verwies er darauf, dass sich jede Menge namhafte Architekten für den Erhalt der Gebäude aussprachen. Sein Verweis an die Verwaltung: "Man hätte mit der Firma Bosch sprechen sollen, es hätte mit Sicherheit eine Lösung gegeben."

Dass bei dem Thema sogar ein Riss durch manche Fraktion ging, offenbarte die FWV: Während Hans Hubert Krämer Zustimmung zu dem Bebauungsplan signalisierte, enthielt sich Friedel Kehrer-Schreiber der Stimme. Ihre Begründung: "Ich sehe die Erdle-Bauten als Zeitzeugen", sagte sie. "Die Gebäude haben Ausstrahlung und Charme." Gabriele Janz (Grüne) bemängelte hingegen genauso wie Ziegler, dass sich der Reutlinger Gemeinderat "über zehn profilierte Fachleute hinwegsetzt".

Hagen Kluck versuchte die hoch schlagenden Wellen der Emotionen zu glätten: "Wer über den Abriss der Gebäude entscheidet, ist einzig und allein der Eigentümer", betonte er. Was der Gemeinderat machen könne, sei die Einflussnahme auf den vorgelegten Bebauungsplan. "Wir können mitgestalten oder gar nichts tun", so Kluck. Hans Wucherer (WiR) hatte für seine Fraktion darauf verwiesen, "dass die Wohnungen auch in 50 Jahren noch bewohnbar sein sollen". Bei einer Sanierung des Bestands hege er die Befürchtung, dass das eben nicht der Fall sein würde.
Quelle:Reutlinger Nachrichten

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