Freitag, 27. August 2010

Artikel über Gmindersdorf in den Reutlinger Nachrichten

Hier der angekündigte Artikel aus den Reutlinger Nachrichten:



Reutlingen.  Siedlungsbauten im direkten Anschluss an das denkmalgeschützte Gmindersdorf sollen abgerissen und die Bebauung dort "nachverdichtet" werden. Doch es regt sich Widerstand unter den Anliegern.

Als Karin Schliehe und Bernhard Mark vor neun Jahren ins Gmindersdorf einzogen, "da hieß es, dass die Siedlung für sich bewahrt bleibt", sagen die Grafiker, die sich vehement gegen die Pläne der Robert-Bosch-Wohnungsgesellschaft sträuben. In direkter Nachbarschaft des Paares sollen nämlich die Häuserzeilen zwischen der Hepp-, Moser- und Blockäckerstraße abgerissen werden. Stattdessen sei geplant, 56 Mietwohnungen in dreigeschossiger Blockbauweise mit Flachdächern sowie vier zweigeschossige Doppelhäuser zu platzieren. Unter dem Gelände sollen zwei Tiefgaragen mit 78 Stellplätzen sowie weitere Parkflächen im Freien entstehen.

Einigen Anwohnern ist das zu nah, zu dicht, zu hoch und zu massiv. Deshalb regt sich Widerstand, der zwar nicht die Ausmaße der 1970er Jahre annimmt: Damals waren sich alle Bewohner einig, dass der Denkmalschutz sie in ihrer demokratischen Renovierungsfreiheit eingrenzen wollte. "Denkmalamt - Totengräber der Freiheit und Demokratie" hieß damals ein Spruchband, das über die Straße gespannt war. Die Hausbesitzer befürchteten damals enorme Einschränkungen bei der Sanierung, wenn sie etwa Bäder einbauen wollten.

Das ist lange her, heute zeigt sich die Situation anders: Die Anlieger des geplanten Sanierungsgebietes befürchten, dass kulturhistorisch bedeutsame Gebäude einer Massivbebauung weichen müssen. Bei ihrer Recherche haben Schliehe und Mark herausgefunden, dass die fraglichen Häuserzeilen nicht bloß alter 50er-Jahre-Plunder sei: Die Gebäude hat Helmut Erdle, ein früherer Assistent von Heinz Wetzel, geplant. Beide waren Mitglieder der "Stuttgarter Schule". Wetzel hatte in den Jahren 1903 bis 1908 mit dem Star-Architekten Theodor Fischer das Gmindersdorf geplant und umgesetzt. Diese Zusammenhänge schlagen sich laut Mark und Schliehe sichtbar auch in den Gebäuden nieder, die zwischen 1950 und 1952 erbaut wurden: So habe Erdle die Stilelemente aus dem Gmindersdorf wie Rundbogenfenster, Holzverkleidungen, Dachgauben oder Biberschwanzdächer in das neue Gebäudeensemble mit aufgenommen. Ebenso wie die großzügigen Grünflächen um die Häuser herum - die nun wegfallen sollen.

Diese Zusammenhänge hat die Architekturhistorikerin Dr. Elke Sohn aus Saarbrücken herausgefunden. Sie unterstützt ebenso wie einige namhafte Architekten und Bauhistoriker aus ganz Deutschland den Aufruf der Gmindersdorf-Gruppe: Der Abriss des Gebäude-Ensembles solle noch einmal überdacht und eine Neubewertung der Situation vorgenommen werden. "Wenn die Firma Bosch erkennt, welche kulturhistorische Bedeutung und welches Potenzial in diesen Gebäuden steckt, kann sie eigentlich gar nicht abreißen", sagt Karin Schliehe. Schließlich gehe es ja auch um die Geschichte des Weltunternehmens, das 1964 die Arbeitersiedlung von der Firma Gminder übernommen hat. Und man könne doch die gesamte Siedlung, die über drei Generationen hinweg entstanden sei, als einzigartiges kulturhistorisches Erbe darstellen. "Immerhin ist Gmindersdorf die zweitgrößte Arbeitersiedlung nach Krupp in Essen", sagt Mark.

Sollte die Bosch-Wohnungsgesellschaft aber den bisher eingeschlagenen Weg mit einer neuen Überbauung des Geländes im Gegenwert von acht Millionen Euro weiter verfolgen, "dann wäre das eine Bausünde", so Bernhard Mark. Schließlich seien die vorhandenen Gebäude gar nicht so marode, dass man abreißen müsse. Die Sanierung sei seiner Meinung durchaus möglich.
Quelle:Reutlinger Nachrichten

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