Dienstag, 17. August 2010

Zur Geschichte des Denkmalschutzes in der Arbeitersiedlung Gmindersdorf

Die Werksiedlung Gmindersdorf ist ein Siedlungsbauensemble, das von 1903 bis 1952 von einem und demselben Auftraggeber, nämlich dem Textilfabrikanten Emil Gminder zusammen mit 3 Generationen von Städtebauern der Stuttgarter Schule entstand.1964 ging das gesamte Fabrikgelände der Firma Ulrich Gminder zusammen mit der Werksiedlung Gmindersdorf in den Besitz der Firma Bosch über.
Nun begann eine neue Ära für die Arbeiter und Bewohner der ehemaligen Firma Gminder und auch für die Gmindergebäude.
Viele Textilarbeiter wurden umgeschult zu Metallern und die Gmindersiedlung sollte nach Vorstellung der Firma Bosch in  "Robert Bosch Siedlung" umbenannt werden, was jedoch am Reutlinger Gemeinderat scheiterte.
Die alten Industriegebäude wurden mit Ausnahme des Spinnerei Turmes abgerissen.
Eine engagierte Tübinger Denkmalpflegerin, Frau Dr. Gabriele Howaldt konnte glücklicherweise Anfang der 1970er durch sehr beherztes Intervenieren (dies ist schon eine Geschichte für sich) bei der Firma Bosch den Abriss verhindern. Das so gerettete Spinnereigebäude gilt heute  als örtliches Wahrzeichen der Industriekultur.
Es folgte dann  Mitte der siebziger Jahre der sogenannte "Denkmalkrieg" im Gmindersdorf.
Die damaligen Protagonisten waren, die Firma Bosch,
die nicht daran interessiert war die stark sanierungsbedürftigen Häuser zu modernisieren,
die Stadt Reutlingen,die Gmindersdorf Bewohner, die die Häuser kaufen konnten und fleißig verändern wollten und das Denkmalamt Tübingen, dass der fortschreitenden
Sanierungsfreude entgegenschreiten wollte, wozu es auch verpflichtet und berechtigt war.
Denn, noch bevor die Firma Bosch ab 1968 im Gmindersdorf Häuser privat verkaufen wollte,
wurde "zum Schutz der Siedlung" vom Gemeinderat Reutlingen 1966 eine Ortsbausatzung
für besondere örtliche Bauvorschriften erlassen. Sie sollte das historisch wertvolle Erscheinungsbild der Siedlung schützen. Bei Beachtung der Satzung, auf deren  Einhaltung die Stadt Reutlingen hätte achten müssen, wären der Siedlung in den Jahren 1968 bis 1977 störende Anbauten bzw. Umbauten, Begradigungen von Fensterbögen, Beseitigung von Eingangsloggien, Hausverschalungen mit Asbestplatten und die Beseitigung der charakteristischen Staketenzäune und einiges mehr erspart geblieben.
Doch die Kommunikation zwischen den zwei Hauptprotagonisten beschränkte sich in den Jahren 1971 bis 1976 oftmals nur darauf, dass das Denkmalamt Tübingen die Stadt Reutlingen immer wieder an die vorhandene Ortsbausatzung und deren Beachtung erinnerte und ab 1973 auch darauf drang das Gmindersdorf unter Denkmalschutz  stellen zu wollen, falls die Ortsbausatzung weiter ignoriert würde.
Die Möglichkeit dazu, auch gegen den Willen der Stadt Reutlingen einen Denkmalschutz durchzusetzen, hätte das Denkmalamt Tübingen durchaus gehabt, da das Gmindersdorf im Zuge des 1972 neu erlassenen Denkmalschutzgesetztes damals in die Liste der denkmalwürdigen Kulturgüter auf genommen wurde.

Das Denkmalamt wollte sich jedoch weiter  gütlich einigen und  keinen einseitigen Zwang ausüben
Es setzte weiter auf Verhandlung.

Es sollte erwähnt werden, dass die historischen Gminder Siedlungsgebäude aus
den Jahren 1903 bis 1924,1968, kurz vor ihrer Privatisierung als sie noch der Firma Bosch gehörten,
zwar regelmäßig renoviert wurden, doch nichtsdestrotrotz stark moderniesierungsbedürftig waren.
Diese Moderniesierungen haben die damals frischgebackenen Hausbesitzer auch einige Jahre vorgenommen,
ohne die bestehende Ortsbausatzung zu beachten, deren Existenz und Bedeutung ihnen wohl nicht bewusst war.Sie konnten renovieren und sanieren, wie es ihnen gefiel und die Reutlinger Behörden schritten nicht ein. Zuletzt wurden der Stadt Reutlingen 1975 noch einmal 32 Siedlungshäuser geschenkt,die sie dann schrittweise privat verkaufte.Die Stadt Reutlingen die durch Schenkung der Firma Bosch. Miteigentümerin im Gmindersdorf war, renovierte und sanierte die großen Ensemblegruppen im Dorfzentrum, ebenfalls ohne dabei die Ortsbausatzung zu beachten.
 
Käufer, die 1968 ihr Haus im Gminderdorf erworben hatten, versicherten uns, dass sie persönlich
ihr Haus nicht gekauft hätten, wenn sie von den Einschränkungen gewusst hätten, die mit der Ortsbausatzung von 1966 verbunden waren.
1975 besaß die ursprüngliche Besitzerin der Gminder Siedlungsbauten, die Firma Robert Bosch
nur noch den letzten Siedlungserweiterungsbau von 1952, erbaut von Helmut Erdle.
Erst 1976 wurden die Besitzer der Gminder Siedlungshäuser in einem Schreiben vom damaligen Oberbürgermeister Oechsle auf die sogenannten bevorstehenden  Pläne  des Denkmalamtes Tübingen hingewiesen.
Das Gmindersdorf sollte nach Willen des Denkmalamtes unter Denkmalschutz gestellt werden.

Empört über diese Absichten, da in der Auffassung sie hätten ein Haus gekauft, in dem sie tun und lassen konnten, was sie wollten, gingen die Bürger auf die Strasse, um gegen die Pläne des Denkmalamtes zu demonstrieren.
Nach  langen Streit, wurden zusammen mit einer 1977 neu erlassenen Ortsbausatzung für den historischen Teil des Gmindersdorfs, noch einige große Ensemble, die der Stadt Reutlingen gehörten, unter Denkmalschutz gestellt. Der Auslöser für den Kompromiss, nach sechs Jahren Disput, war das 18 Städte-Programm
des Landes Baden-Württemberg. Nun flossen Denkmalgelder in die Arbeitersiedlung Gmindersdorf.
Daten und Fakten zur Geschichte des Denkmalschutzes im Gmindersdorf, von der damaligen Leiterin der Inventarisation-Denkmalschutzbehörde Tübingen Dr. Gabriele Howaldt.

1 Kommentar:

  1. Gute Information !

    Holger Lange, Umwelttechniker, Reutlingen, Klopstockstraße 28

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