Mittwoch, 22. September 2010

Artikel über Erdlegebäude im Gmindersdorf

Hier der angekündigte Artikel im Reutlinger General Anzeiger:
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Gmindersdorf - Geplanter Abriss der angrenzenden Siedlung: Sohn des Erbauers Helmut Erdle plädiert für Erhalt

Ein harter Kern aus dem Gmindersdorf wehrt sich dagegen - und bekommt erneut Unterstützung. Der Sohn des Erbauers, der Stuttgarter Architekt Andreas Erdle, plädiert entschieden für den Erhalt der kleinen Siedlung. Und er überlegt sich sogar, ob er von seinem Urheberrecht Gebrauch macht.

Der 49-Jährige weiß aus eigener Anschauung, wovon er spricht. Während seiner Studienzeit hatte ihn sein Vater Helmut Erdle, ebenfalls Architekt und auch Künstler, nach Reutlingen mitgenommen, um ihm »seine« in den frühen Fünfzigerjahren gebauten Häuser zu zeigen. »Voller Stolz«, wie sich der Sohn erinnert - darauf, dass er das vom »großen« Theodor Fischer erbaute Gmindersdorf erweitern durfte. »Er hat das als Ehre und etwas ganz Besonderes empfunden.« Fischer galt als Urvater der Stuttgarter Schule, die von ihrer architekturhistorischen Bedeutung her mit dem Bauhaus gleichzusetzen ist. Erdle, 1906 geboren, lernte während seines Studiums an der Technischen Hochschule Stuttgart Theodor Fischer persönlich kennen und schätzen.

Später wurde er Hauptassistent von Heinz Wetzel, ebenfalls ein wichtiger Repräsentant der Stuttgarter Schule und am Entwurf der 1903 geplanten Arbeiterkolonie Gmindersdorf beteiligt. »Mein Vater hing sehr an dieser Erweiterung, da er sich selber in der Tradition von Fischer stehen sah«, berichtet Andreas Erdle.

Ob sein Vater von Siegfried Gminder, der ihm als Unternehmerpersönlichkeit sehr imponierte, den Auftrag für die kleine Siedlung direkt bekommen oder ob es einen Architektenwettbewerb gegeben hatte, entzieht sich der Kenntnis des 49-Jährigen. Das Gmindersdorf habe Helmut Erdle jedenfalls als herausragendes städtebauliches Exponat der Stuttgarter Schule gewertet - und die Planung der angrenzenden Gebäude als große Herausforderung. »Er hat es«, erinnert sich Andreas Erdle an das Konzept seines Vaters, »immer als Erweiterung der alten Siedlung gesehen.«

Die von seinem Vater gebaute »kleine« Siedlung an der Moser- und Blockäckerstraße sei, so Erdle, als Weiterentwicklung der Stuttgarter Schule konzipiert gewesen. »Aber nicht historisierend, sondern in einer neueren Sprache.« Individualität statt Konformität sei der Hauptgedanke bei der Planung gewesen. Deshalb sei jedes Gebäude, jeder Wohnungszuschnitt ein bisschen anders. Weiteres Erdle-Merkmal: Alle Häuser sind zur Sonne ausgerichtet. »Er hatte auf dem Grundstück nicht viel Platz zur Verfügung und wollte trotz der Enge ein lichtes Ambiente.«

Typisch für die Architektur seines Vaters sei außerdem die schlichte, zurückhaltende, quasi in die Landschaft eingebettete Bauweise und die starke Durchgrünung der Siedlung. »Man sieht die Häuser kaum, sie sind nicht exponiert oder angeberisch, sondern verschwinden fast hinter den Bäumen.« Trotz seiner eigenen, moderneren Formensprache habe sich sein Vater bei der Gestaltung der neuen Siedlung vom alten Gmindersdorf beeinflussen lassen. So fänden sich die Gauben in den Satteldächern nur in Reutlingen und nirgendwo anders.

Zunehmend geschätzt
Fazit des Stuttgarter Architekten: »Familiäre Verflechtungen hin oder her - die Siedlung in Reutlingen ist ein herausragendes Exemplar der Architektur der frühen Fünfzigerjahre.« Die werde landauf, landab zunehmend wertgeschätzt und »reihenweise denkmalgeschützt«. Andreas Erdle, dessen Vater vor 19 Jahren starb, überlegt sich jetzt, was er zu ihrer Rettung beitragen kann und ob er eventuell von seinem Urheberrecht Gebrauch macht.

Das hatten auch die Erben von Paul Bonatz, dem Erbauer des Stuttgarter Hauptbahnhofs, geltend gemacht, waren aber unterlegen: Das Landgericht stufte die »verkehrsstrategisch überragenden Weiterentwicklungsinteressen der Bahn« als vorrangig gegenüber den Erhaltungsinteressen der Bonatz-Erben ein.
Quelle:Reutlinger General Anzeiger

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