Donnerstag, 7. Oktober 2010

Artikel in den Reutlinger Nachrichten: Brücke für Bosch?

Karin Schliehe und Bernhard Mark gefällt das Fazit des Tübinger Referats Denkmalpflege gar nicht. Aber: Kommende Woche soll es ein gemeinsames Treffen vor dem Bauausschuss der Stadt Reutlingen geben.

"Natürlich sind wir nicht erfreut über das, was das Denkmalamt gesagt hat", sagt Karin Schliehe im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn: In der Stellungnahme von Dr. Michael Ruhland zu den Gebäuden in unmittelbarer Nähe des Gmindersdorfs hat er verkündet: "Das Referat Denkmalpflege ist zu der Überzeugung gelangt, dass die genannten Wohnbauten von Helmut Erdle keine Kulturdenkmale sind, da sie die Kriterien des Denkmalschutzgesetzes nicht in ausreichendem Maße erfüllen."

In seinen weiteren Ausführungen (drei DIN-A4-Seiten) gesteht Ruhland allerdings ein, dass "dem Gebäudeensemble ein besonderer Reiz" anhafte. Der sei "in seiner städtebaulichen Anbindung an die zur Erbauungszeit schon fast fünfzig Jahre bestehenden Arbeitersiedlung von Theodor Fischer" zu sehen. "Helmut Erdle hat den Übergang aus dem Dorf behutsam gestaltet." Eine ganze Reihe an Besonderheiten attestiert der Tübinger Denkmalschutz-Fachmann den Gebäuden gar "einen Ortsbild-prägenden Charakter". Ruhland weiter: "Aus diesem Grund wäre ihr Verlust auf jeden Fall zu bedauern."

Das große "Aber" folgt auf dem Fuß: "Das baden-württembergische Denkmalschutzgesetz nennt jedoch unter den möglichen Schutzgründen ausdrücklich keine städtebaulichen Gründe", schreibt Dr. Ruhland weiter. Genau hier setzt dann die Kritik an, die Karin Schliehe und Bernhard Mark sowie die Bürgerinitiative hinter ihnen für den Erhalt der Gebäude in der Moser- und Wilhelm-Kuhn-Straße umtreibt: "Die Stellungnahme des Denkmalamtes beschäftigt sich fast ausschließlich mit den städtebaulichen Aspekten, hat aber die Architektur nur kurz abgehandelt", betont Schliehe. Ruhland habe angeführt, dass Erdle in den 1950er Jahren keine "innovative Architektur" angewandt habe. "Gerade das Traditionalistische ist aber doch ein Merkmal der Stuttgarter Schule, für die Erdle stand", sagen Dr. Elke Sohn und Andreas Erdle. Sohn ist Dozentin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft im Saarland, Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen, er ist selbst auch Architekt und obendrein der Filius des Erbauers der Gebäude neben dem Gmindersdorf. Sohn und Erdle-Junior setzen sich beide für den Erhalt des Reutlinger Gebäudeensembles ein.

"Wir sind gerade dabei, ein Gegengutachten zu erstellen", erläutert Karin Schliehe, die mit Bernhard Mark in direkter Nachbarschaft der Erdle-Bauten im Gmindersdorf wohnt. Zusammen mit der Bürgerinitiative hat das Grafikerpaar "verschiedene Personen bei der Firma Bosch angeschrieben", die ja bekanntlich anstelle der Erdle-Gebäude eine "bedrohlich massive Bebauung dort hinsetzen will", wie immer wieder zu hören war. "Bisher hat aber noch niemand von Bosch reagiert." Allerdings bestehe die Hoffnung, dass jemand von dem Stuttgarter Weltunternehmen bei dem Treffen in der kommenden Woche vor dem Bauausschuss der Stadt dabei sein wird. "Dann könnten wir unsere Argumente nochmal vorstellen, genauso wie das Denkmalamt", sagt Karin Schliehe. Am Dienstag, 12., oder Donnerstag, 14. Oktober, soll das Treffen stattfinden.

Andreas Erdle hat als aktiver S-21-Gegner gegenüber Mark und Schliehe im Übrigen eine Parallele zu den momentanen Vorkommnissen in der Landeshauptstadt gezogen: "Er hat unseren Kampf gegen den Abriss der Erdle-Bauten als Mini-Ausgabe von Stuttgart 21 bezeichnet", schmunzelt Schliehe. Allerdings mit zwei Unterschieden: Zum einen signalisiere die Stadt Reutlingen Gesprächsbereitschaft und: "Ich habe den Eindruck, dass die Stadt jetzt der Firma Bosch eine Brücke bauen will, um Abstand von dem Projekt nehmen zu können", sagt Schliehe.
Quelle:Reutlinger Nachrichten

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