Samstag, 16. Oktober 2010

Artikel in den Reutlinger Nachrichten: Ein "offenes Kunstwerk"

Selten haben Bauvorhaben in Reutlingen solche Wellen geschlagen wie der geplante Abriss der Erdle-Bauten neben dem Gmindersdorf. Am Donnerstag trafen sich (fast) alle Seiten an einem Runden Tisch.

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Auch beim Bauvorhaben unterm Georgenberg hatte es im Vorfeld zahlreiche Proteste gegen die Planungen gegeben. Im Vergleich damit sollen nach dem Willen der Firma Bosch zwischen Hepp-, Moser- und Blockäckerstraße im direkten Anschluss an das Gmindersdorf "nur" 56 Wohnungen gebaut werden. Der Protest einiger Anwohner richtet sich zwar auch gegen "die massive Bebauung" in dem Gebiet. Protestiert wird aber vor allem gegen den Abriss der so genannten Erdle-Bauten. Um die Argumente, die bisher vor allem über die Zeitungen transportiert wurden, an einem Ort auszutauschen, hatte die Stadt die Möglichkeit eines Runden Tisches gewählt.

Dass es nicht, wie geplant, eine Aussprache direkt vor dem Bauausschuss gab, lag laut Baubürgermeisterin Ulrike Hotz daran, dass im Rahmen einer solchen Sitzung zwar die betroffenen Bürger hätten angehört werden können, nicht aber die hinzugezogenen externen Fachleute. Insofern sei der Runde Tisch ein Entgegenkommen der Stadt.

Ferner wurde das Tübinger Referat für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium, vertreten durch Dr. Michael Ruhland, mit an den Tisch gebeten (Wobei dieser Tisch im Übrigen gar nicht rund, sondern eckig war). Die Expertise des Denkmalschützers haben wir in unserer Zeitung bereits ausführlich erläutert, sein Statement aber hier nochmals in Kürze: Die Frage des Städtebaus als Grund für den Denkmalschutz existiere im baden-württembergischen Recht nicht. Und eine "Kulturdenkmaleigenschaft für die Erdle-Gebäude kann nicht nachgewiesen werden".

Anders sieht das Dr.-Ing. Elke Sohn von der Hochschule für Wirtschaft und Technik im Saarland: In ihrem Vortrag im Spitalhofsaal vor dem Publikum, das sich vor allem aus Mitgliedern des Bauausschusses wie auch aus Mitgliedern der Bürgerinitiative gegen das Bosch-Bauprojekt zusammensetzte, betonte die Fachfrau für Kunst- und Baugeschichte: "Helmut Erdle hat viel planerisches Engagement eingebracht, um die Gebäude individuell zu gestalten." Die Planung habe der Architekt der Stuttgarter Schule "als Teil des Gmindersdorfs verstanden".

Das Engagement Erdles für diese Bauten des sozialen Wohnungsbaus sei enorm groß gewesen und habe zu "einer ganz eigenen städtebaulichen Sprache geführt", so Sohn. Helmut Erdle habe in den 50er Jahren die Elemente jener Zeit mit denen von Theodor Fischer, dem Erbauer des Gmindersdorfs zu Beginn des 20. Jahrhunderts, durchmischt. "Die Erdle-Bauten sind ein offenes Kunstwerk, das uns nicht beschwatzt mit dem Alten", sagte Elke Sohn. Vielmehr habe Helmut Erdle durch das Aufgreifen so mancher Elemente aus der Architektur des Gmindersdorfs "angeboten, uns zu erinnern, mit der Beschwingtheit und Heiterkeit der Gartenstadt der 50er Jahre". Andreas Erdle, Filius von Helmut Erdle, sieht in dem geplanten Projekt der Robert Bosch GmbH "keine Weiterentwicklung des Gartenstadtgedankens".

Wie es nun weitergeht? Die vorgetragenen Gedanken und Meinungen sollen laut Hotz nun in den Fraktionen beraten werden, danach werde es zu einer Entscheidung im Gemeinderat kommen. Übrigens hatte das Weltunternehmen der Robert Bosch GmbH eine Teilnahme an dem Runden Tisch abgelehnt. "Die Interessen der Firma würden durch die vorliegende Planung vertreten", hatte Ulrike Hotz erläutert.
Quelle:Reutlinger Nachrichten

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