Samstag, 16. Oktober 2010

Artikel im Reutlinger General-Anzeiger: Der Rat muss jetzt über Erdle-Bauten entscheiden

Erdle-Bauten - Runder Tisch im Spitalhof. Bürgergruppe und Landesdenkmalamt tauschen Positionen aus
Der Rat muss jetzt über Erdle-Bauten entscheiden.

REUTLINGEN. Keinen Beschluss gefasst und damit auch keine Empfehlung für den Gemeinderat abgegeben hat der Bau- und Verkehrsausschuss am Donnerstagabend im Anschluss an den Runden Tisch zu den Bauten des Architekten Helmut Erdle am Rande der denkmalgeschützten Siedlung Gmindersdorf. *


Es ist damit Aufgabe des Gemeinderats in der übernächsten Woche neben anderen Dingen zwischen den architekturhistorischen und städtebaulichen Interessen der Bürgergruppe Gmindersdorf auf Erhalt der Gebäude und dem Wunsch der Firma Bosch, auf dem Gelände Wohnungen für ihre Beschäftigten zu bauen, abzuwägen. Verbunden ist damit die Entscheidung, ob der im Verfahren befindliche Bebauungsplan »Moserstraße« Gültigkeit erlangt und die Erdle-Bauten damit fallen. Möglich ist dies, weil das Denkmalamt einen Verlust zwar für »bedauerlich« hält, gleichwohl den Gebäuden die Eigenschaften eines Kulturdenkmals nicht zuerkennt.

Vierter Runder Tisch

 Eingangs der Sitzung im Spitalhof schilderte Baubürgermeisterin Ulrike Hotz kurz den Gang des Bebauungsplanverfahrens samt der Bürgerbeteiligung, in deren Verlauf sich die Bürgergruppe Gmindersdorf gebildet hat, welche für den Erhalt der Erdle-Bauten plädiert. Man habe einen Rahmen gesucht, der der Bürgergruppe die Möglichkeit eröffnet, ihre externen Fachleute mitzubringen und »über ihre persönliche Betroffenheit hinaus auch den Diskurs mit dem Denkmalamt zu führen«, begründete sie den mittlerweile vierten Runden Tisch in dieser Angelegenheit.

Als »Anwältin« ihrer Sache hatten die Vertreter der Bürgergruppe, Karin Schliehe und Bernhard Mark, die Bauhistorikerin Dr. Elke Sohn bestellt. Diese betonte eingangs, dass sie ein Fachleute-Gremium aus ganz Deutschland repräsentiere. Wie Bernhard Mark und Erdle-Sohn Andreas hob sie hervor, dass sie die Erdle-Bauten und die Siedlung Gmindersdorf »als Ganzes« sehe. Die Bauten des Stuttgarter Architekturprofessors stellten sozusagen die »Vollendung« des zwischen 1903 und 1915 entstandenen Gmindersdorf dar. Sie seien eine Weiterentwicklung des von Theodor Fischer entwickelten Architekturstils, der »traditionellen Moderne«, gemischt mit Elementen der 50er-Jahre.

Weitere Argumente von Elke Sohn: Die hohe städtebauliche Qualität, der große Planungsaufwand durch Helmut Erdle samt der detaillierten zeichnerischen Ausarbeitung von Balkonen, Türen und Treppengeländern, die »Gelenkfunktion« zu den später entstandenen Neubauten aus den 60er- und 70er-Jahren im Gebiet und nicht zuletzt die Tatsache, dass die Gebäude am Eck von Moser- und Wilhelm-Kuhn-Straße die letzte erhaltene Siedlung von Helmut Erdle in Südwürttemberg darstellen.

Erneute Prüfung 

Beata Hertlein vom Landesdenkmalamt verwies auf die erneute Prüfung, die man auch aufgrund der Erkenntnisse von Elke Sohn ins Werk gesetzt habe. Diese Prüfung hat Dr. Michael Ruhland vorgenommen. Er stellte eingangs seiner Ausführungen erst einmal klar, dass nur die Siedlung Gmindersdorf als Kulturdenkmal eingestuft sei. Die Erdle-Bauten seien zwar »organisch angeknüpft« jedoch aus einer anderen Zeit. In Übereinstimmung mit Sohn lobte Ruhland die städtebaulichen Qualitäten wie die Vermeidung von langen Blickachsen, die »Verschwenkung« der Häuserzeilen um Räume zu schaffen, wie auch Details von Treppengeländern und Balkonen.

Allerdings ziele das baden-württembergische Denkmalrecht nicht auf die städtebauliche Seite ab, sagte Ruhland. Die »schonende Erweiterung« einer als Kulturdenkmal geschützten Siedlung sei demnach kein Argument für die Denkmalfähigkeit der Erdle-Bauten. Ruhland wies auch auf die »ausgesprochen unpraktische Erschließung« der Wohnungen mit oftmals zwei »gefangenen Räumen«, teilweise winzigen Fluren und die nachträglich eingebauten Bäder und Duschen im Eingangsbereich hin.

Insgesamt, so Ruhland, seien es trotz einiger Veränderungen »Häuser mit liebenswürdigen Eigenschaften, an der richtigen Stelle eingepasst«. Was fehle seien jedoch ausreichende künstlerische, wissenschaftliche und heimatgeschichtliche Argumente, »die über das Charakteristische hinausgehen und die Denkmalfähigkeit . . . nachweisen«. Allerdings so Ruhland, bedeute die fehlende Denkmaleigenschaft nicht, dass die Häuser nicht erhaltenswert sind.

56 neue Wohnungen

Der Gemeinderat muss jetzt entscheiden, ob die Erdle-Bauten erhalten werden sollen. Der Bebauungsplan macht einen Abriss notwendig, da die Bosch-Wohnungsgesellschaft neu bauen will. 56 Wohnungen - 24 davon barrierefrei - teilweise in Form von Doppelhäusern sollen entstehen. Geplant sind zwei Tiefgaragen mit 78 Stellplätzen und eine großzügige Durch- und Begrünung. Für das Vorhaben hatte die Firma sogar einen Wettbewerb ausgeschrieben. (GEA)
Quelle:Reutlinger General-Anzeiger
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