Mittwoch, 29. September 2010

Offener Brief an die Firma Bosch

Mit unserem offenen Brief an Franz Fehrenbach, dem Geschäftsfüher der Firma Bosch,
an Herr Prof. Deplewski, Chef der Abteilung Bosch-Bauen und an Frau Prof. Dürig, Abteilung Unternehmenskommunikation bei der Firma Bosch appellieren wir dafür, dass die Entscheidungsträger der Firma Bosch GmbH sich für den Erhalt der bedeutenden Erdle-Gebäude in der Arbeitersiedlung Gmindersdorf aussprechen.


Sehr geehrter Herr Fehrenbach,

wir möchten uns mit einem wichtigen Anliegen an Sie, als Vorsitzenden der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH wenden,
in der  Überzeugung Ihr Interesse  für ein historsch bedeutendes Siedlungswerk wecken zu können,
von dem Teile,  im Besitz der Robert Bosch GmbH sind.

Im Namen der Gruppe für den Erhalt des Gmindersdorfes erlauben wir uns  Ihnen die Situation
der bekannten Arbeitersiedlung Gmindersdorf in Reutlingen schildern zu dürfen.
Wichtige Siedlungsteile aus den fünfziger Jahren, die noch von der Textilfirma Ulrich Gminder in Auftrag gegeben wurden, sind aktuell vom Abriss und den Neubebauungsplänen der Robert Bosch Baugesellschaft bedroht .
Wir bitten um Geduld, wenn wir nun geschichtlich ein wenig ausholen, da dies zum Verständnis unseres Anliegens nötig ist.

Die Arbeitersiedlung Gmindersdorf in Reutlingen,von 1903 bis 1952 entstanden, ist schon lange weit über seine Grenzen hinaus bekannt.
Sie gilt als außerordentlich bedeutendes Kulturdenkmal und einzigartig , da die erste Arbeitersiedlung ihrer Art.
Nach Vorbild der englischen Gartenstädte gebaut, war sie die zweite Arbeitersiedlung in Deutschland,
nach der Magarethensiedlung von Krupp, in Essen.
Ihr Hauptarchitekt, der Städteplaner  Theodor Fischer, ist als  Begründer der Stuttarter Schule, einer der führenden Städteplaner der Architekturgeschichte des 20.Jahrhunderts.
Die Arbeiterkolonie, die zusammen mit seinen Assistenten Helmut Wetzel, Paul Bonatz (Erbauer des Stuttgarter Bahnhofes) und Bruno Taut entstand, gilt als sein Schlüsselwerk.
Jetzt sind die letzten Siedlungsteile die, noch 1950 von der Textilfirma Ulrich Gminder in Auftrag gegeben wurden, in Gefahr.

Gebaut von einem herausragendem Architekten und Siedlungsplaner der Nachkriegsmoderne Helmut Erdle (http://www.rz.uni-karlsruhe.de/~saai/pdf/saai2.pdf )
hat er sie iin der Tradition der Stuttgarter Schule als bewusste Siedlungserweiterung geplant.
Sie stellen städtebaulich betrachtet außerordentlich gelungene Schlüsselbauten dar, da sie einen moderaten Übergang schaffen, vom historschen Jugendstilteil des Gminderdorfes zur seiner weiteren Nachkriegsbebauung.
Architekturhistorisch bilden sie den Abschluss einer über fünfzig Jahre entstandenen Siedlungsarchitektur. Fachleute halten es für einzigartig, wie sich in dieser Siedlung drei Generationen Architekten der Stuttgarter Schule repräsentieren.
(Siehe auch Aufruf)
Wichtige Hauptunterzeichner des Aufrufes, der sich an  die Entscheidungsträger wendet, sind u.a. Prof. Hartmut Frank von der Hafen City Universität Hamburg; Lehrstuhl Analyse gebauter Umwelt,
Dr. Mattias Rösner; Vorsitzender des Aktionsbündnis Stuttgart 21, Dr. Elke Sohn, Bauhistorikerin und Verfasserin einer Forschungsarbeit zu Heinz Wetzel und seinen Schülern, zu denen der Architekt Helmut Erdle gehört.)

Möglicherweise ist Ihnen als Vorsitzender der Bosch Gruppe die Historie der Beziehungen zwischen der Textilfirma Ulrich Gminder und der Firma Robert Bosch bekannt.
Schon während des zweiten Weltkrieges produzierte Bosch in Gebäuden der Firma Gminder. Der Gminder Manager Hans L. Merkle wechselte 1958 als Manager zur Firma Bosch.
Der Standort Bosch in Reutlingen enstand als die Robert Bosch GmbH 1964 die Firma Gminder, zusammen mit der Arbeitersiedlung Gmindersdorf, übernahm.

Das Jugendstilesemble der Arbeitersiedlung Gmindersdorf, sehr sanierungsbedürftig, wurde ab 1966 Stück für Stück privatisiert, an die Stadt Reutlingen verschenkt und vor Abriss und Veränderung geschützt.
Nur die Siedlungserweiterungen des Architekten Helmut Erdle, im guten baulichen Zustand, verblieben im Besitz der Firma Robert Bosch.

Seit einiger Zeit ist nun, einzigartig in der Siedlungsgeschichte der Arbeiterkolonie Gmindersdorf, das ganze Ensemble in seinem Erscheinungsbild bedroht.

Die aktuellen Bebauungspläne der Bosch Wohnungsgesellschaft in der Siedlung Gmindersdorf  liegen dem Reutlinger Amt für Stadtentwicklung schon seit April 2009 vor.
Das einbezogene Tübinger Denkmalamt äußerte damals keine Bedenken zu Abriss und den Neubebauungsplänen, "neben dem Gmindersdorf".
Der neue Bebauungsplan steht kurz vor dem Beschluss im Gemeinderat Reutlingen.

Nun mussten wir die genannten verantwortlichen Entscheidungsträger mit unseren Recherchen zur Sachlage konfrontieren.
Aus denen ergab sich, dass offensichtlich grundsätzliche Fehler in der Beurteilung des Gmindersiedlungsteils vom Architekten Helmut Erdle unterlaufen sind, den die Robert Bosch Gesellschaft neu bebauen möchte.
Die Stadt Reutlingen und das Denkmalamt Tübingen waren sich ihrer tatsächlichen Bedeutung, nach eigenem Bekunden, nicht bewusst.

Wir haben den Eindruck, im Gemeinderat Reutlingen, im Denkmalamt Tübingen, auf dem Reutlinger Amt für Stadtentwicklung, in der Tagespresse, bei der öffentlichen Meinungsbildung und zuletzt in der bundesrepublikanischen Fachwelt für Nachkriegsmoderne und Siedlungsbau, laufen gerade Prozesse, von denen die betroffene Firma Robert Bosch scheinbar nichts mitbekommt.

Wir können nicht glauben, dass es im Sinne der Firma Robert Bosch sein kann ein so bedeutendes Kulturdenkmal, wie die Arbeitersiedlung Gmindersdorf in Reutlingen, bewusst beschädigen zu wollen.
Der Abriss der betroffenen Siedlungsteile wäre unwiderruflich und die geplante außerordentlich krasse Neubebaung an dieser Stelle, würde in Zukunft vor der Nachwelt als Symbol und Mahnmal für kulturelle und städtebauliche Fehlentscheidungen überdauern.

Wir sind davon überzeugt, uns im Grunde im Konsens mit Ihnen und der Firma Bosch zu befinden,
wenn wir verhindern möchten, dass ein so einmaliges Kulturgut aus welchen Gründen auch immer, unwiderruflich zerstört würde.
Die Gruppe für den Erhalt des Gmindersdorfes und der Sohn des Architekten Helmut Erdle, Architekt Andreas Erdle, stehen Ihnen selbstverständlich sehr gerne für jeden weiteren  Dialog
und konstruktive Vorschläge zu der Nachverdichtung des betroffenen Gebietes zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß,

Karin Schliehe und Bernhard Mark
i.A. der Gruppe für den Erhalt des Gmindersdorfes

Wilhelm- Kuhn Str. 29
72760 Reutlingen
Tel.:07121/968623

www.teilabrissgmindersdorf.blogspot.com

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